Exposé Sahara
Eine Expedition zu den kaum erforschten Süß- und Salzwasserseen von Ounianga Kebir südlich des Tibesti und den letzten Zwergkrokodilen des Ennedi-Gebirges im unzugänglichen Nordosten des Tschad

"Die Krokodile der Wüste"- Eine Expedition in die Tiefen der Sahara

Dauer 30-45 Minuten - Dreharbeiten 2003.

Fast dreitausend Kilometer in Nord-Süd-Richtung erstreckt sich heute die lebensfeindliche Landschaft der größten Wüste der Welt - von den Gestaden des Mittelmeeres bis an den Rand der zentralafrikanischen Urwälder. Von Osten nach Westen ist es nahezu das Doppelte. Sahara heißt sie in der Sprache ihrer Bewohner, "sahara", nach dem arabischen Wort für "gelb" - obwohl Sandmeere nur einundzwanzig Prozent ihrer Fläche ausmachen. Der Rest ist eine erodierte Mondlandschaft aus Steinen und Wüstenlack.

Dabei war das Gebiet im Viereck zwischen Atlas, Tschad-See, Atlantik und Nil einst eine fruchtbare Senke. Zeugnisse davon finden sich tief im Untergrund unter den Bergen aus Sand und Fels - sowie in Form einer bizarren Seenkette, die sich perlschnurartig durch die zentrale Wüste zieht.

Das Fundament, auf dem die Sahara ruht, besteht aus einem Mosaik geologischer Becken von gigantischen Dimensionen.

Mehr als 1.000 km im Durchmesser und von bis zu 6.000 Meter mächtigen Sedimenten verfüllt, bieten sie genügend Hohlräume für ein nahezu unendliches Wasserreservoir - auch wenn darüber jedes Leben verdorrt.

Das Wasser, das die Kammern beherbergen, ist uralt, gespeist von Kristallwasser, das im Laufe der Gesteinsbildung, von Urgewalten ausgepresst, sich in Spalten im Gestein verflüchtigte und von den Wassermassen tropischer Wolkenbrüche, die zur Zeit der Dinosaurier über der Region der heutigen Sahara niedergingen.

Die obersten Schichten des riesigen "Aquifiers" unter der archaischen Wüstenformation sind geologisch weit jüngeren Datums, am Ende der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren aus Flüssen, die das Meer nicht erreichten und heute längst verschwunden sind, hinabgesickert in die Unterwelt, als es nördlich des Äquators klimatisch gesehen langsam wieder aufwärts ging. Inmitten eines sturmgepeitschten Meeres aus Sand und verwitterten Felsen im Norden des Tschad, tritt das lebensspendende Nass an einigen wenigen Stellen wie türkis schimmernde Smaragde und tiefblaue Opale an die Oberfläche.

So entstanden vor Jahrtausenden große abflusslose Seen, als noch heute sichtbare Reste davon der Tschad-See und die Seenlandschaft des Ounianga Kebir und Serir. Über eine Fläche von 20 km² bedeckt ein weitgehend unerforschtes Seensystem das raue Antlitz der Sahara.

Die meisten davon sind lebensfeindliche Salzseen, mit einem Salzgehalt 5-6 mal höher als der der Ozeane. Doch es sind auch eine Reihe von Süßwasserseen darunter, deren Existenz noch immer Fragen aufwirft.

Rund 10-12 Meter liegen sie über dem Niveau der Salzseen von Ounianga Kebir und führen reines, köstliches Süßwasser. Angesichts einer Verdunstungsrate von 3.-5.000 mm pro Jahr ein erstaunliches Phänomen. Ihre Ufer säumen wogende Schilfwälder. Schwimmende Wälder, wie frühere Expeditionen herausgefunden haben. Ihr dichtes dahintreibendes, meterdickes Wurzelwerk verhindert eine Verdunstung und zunehmende Versalzung offenbar höchst effektiv.

Die Salzseen in der Senke wirken demgegenüber wie riesige Saugmechanismen. Ihnen fehlt die schützende Vegetation. Jährlich verdunsten aus den Seen 5-6 Meter der Wassersäule. Bei einer Fläche von fast 10 km² eine gewaltige Wassermenge. Süßwasserquellen am Rande scheinen den größten Teil des vom Wüstenwind und der ungehemmten Sonneneinstrahlung verursachten Defizits auszugleichen. Der Rest stammt, durch unterirdische Kanäle, aus den benachbarten Süßwasserseen. Dass der Ausgleich aufgrund des Gefälles nicht oberirdisch erfolgt, verdanken die Seen der Kraft des steten Windes. Er hat den Wüstensand westlich der Seen zu unüberwindlichen Barrieren aufgehäuft, die die Senke in Nord-Süd-Richtung quasi blockieren.

An den Rändern der Salzseen türmen sich bis zu einhundert Meter mächtige Sedimente aus den spiralförmigen Gehäusen von Süßwasserschnecken. Noch heute bevölkern sie einen Teil der umliegenden Süßwasserpools.

Die zeitliche Einordnung der Ablagerungen mittels Radiokarbonmethode ergab, dass der Wasserstand der Seen vor rund 8.400 Jahren ein Maximum erreichte, während er vor 9.800 Jahren etwa auf dem Niveau von heute lag.

Möglicherweise waren die Seen von Ounianga Kebir, zusammen mit dem im Schwinden begriffenen Tschad-See, einst Teil eines riesigen Binnenmeeres, das sich über weite Teile der zentralen Sahara erstreckte.

Ähnliche Datierungen stammen aus Ägypten, dem Sudan und Libyen. Stimmen sie, müssten Klimaforscher ihre Modelle möglicherweise neu überdenken. Bisher ging man davon aus, dass die Sahara während der letzten Eiszeit ergrünte, als regenschwere Tiefdruckgebiete von der Nordhalbkugel bis weit hinein nach Afrika wanderten. Doch offenbar fand dieser Vorgang wesentlich später statt als angenommen, in einer Phase langsamer Erwärmung nämlich, ähnlich der des heute viel diskutierten Treibhauseffekts. Trotz deutlich steigender globaler Durchschnittstemperaturen blieb die Ausbreitung der Wüsten offenbar vorläufig aus.

Vor rund 8.000 Jahren war die Sahara ein blühendes Paradies mit Seen, Flußauen und einer reichen Tierwelt. Felszeichnungen im Ennedi-Gebirge zeugen davon. Die Schluchten und Klüfte bergen noch weitere Überraschungen.

Im Archeï-Canyon haust an einem kleinen Guelta, geschützt zwischen hohen Felswänden eine winzige Restpopulation von Wüstenkrokodilen. Ganze sieben Stücke zählte eine Expedition 1999. Ihr Bestand ist höchst gefährdet.

Wahrscheinlich sind die gepanzerten Wüstenbewohner eine Zwergform des Nilkrokodils. Darüber, wie sie hierher gekommen sind, gibt es nur Vermutungen. Sie gehen auf die fruchtbare Zeit der Sahara zurück. Im Ennedi-Gebirge entspringt der Mythos eines großen Flusses, der "Gelbe Nil", der sich einst nach Osten in den heutigen Nil wälzte. Diesen Weg sind die Krokodile vielleicht gekommen.

Entgegen früherer Forschungstrupps werden wir die Grenze zum Tschad von Libyen aus überschreiten und auf südöstlicher Route in die Seenlandschaft des Ounianga Kebir vordringen. Erstmalig sind auch Untersuchungen der Seeböden geplant, die Aufschluss über Qualität und Menge des zuströmenden Süßwassers geben könnten, daneben eine möglichst exakte Bestandsaufnahme der Tier- und Pflanzenwelt.

Vor der Rückreise nach Libyen werden wir uns auf die Suche nach den letzten Zwergkrokodilen des Ennedi-Gebirges machen und die Spuren des Gelben Nils - und prüfen, ob es für die letzten Exemplare einer verlorenen Spezies vielleicht eine Rettung gibt.